Grundbegriffe der betrieblichen Altersversorgung
- Ein erster, grober Überblick
Stand: Juni 2013
Anmerkung: Die nachfolgenden Seiten sind grob vereinfachend - das sollen sie auch sein. Denn hier kommt es nur darauf an, ein erstes Gefühl für einige der wichtigsten Begriffe zu erhalten.
Inhaltsübersicht
- Welche Grundformen gibt es? - Durchführungswege
- Was wird dem Arbeitnehmer versprochen? - Zusagetypen
- Wer finanziert das? - Finanzierungsformen und Unverfallbarkeit
- Welcher Vorsorgebedarf kann erfüllt werden? - Tarifbausteine
- An wen können die Leistungen fließen? - Leistungsempfänger
- Welche Rahmnenbedingungen sind zu erfüllen, um staatliche Förderung zu erhalten? - Steuer und Sozialversicherung
- Was geschieht bei Ausscheiden des Arbeitnehmers? - Portabilität
- Wie beeinflussen die Tarifvertragsparteien die betriebliche Altersversorgung? - Tarifverträge
- Welche Branchenmodelle gibt es? - Branchenlösungen
- Was geschieht, wenn der Arbeitgeber aufgeben muss? - Insolvenzsicherung
- Welche sonstigen Dinge sollte man kennen? - Sonstiges
- Welche weiteren Geschäftssegmente gibt es? - Spezialsegmente
Direktzusage oder Pensionszusage
- Unmittelbares Versorgungsversprechen des Arbeitgebers an dessen Arbeitnehmer
- Bilanzwirksamkeit
- In der Regel mit praktisch unbegrenztem Dotierungsrahmen
Unterstützungskasse
- Organisation oft als Verein
- Regelfall: die sogenannte "kongruent rückgedeckte" Unterstützungskasse - mit Rückdeckungsversicherungen in Höhe der Versorgungsverpflichtungen (Alternativmodell: sog. pauschaldotierte Kassen).
- Dotierungsrahmen im Einzelfall fast unbegrenzt unter Beachtung der Höchstgrenzen für die Kasse insgesamt (wegen Körperschaftssteuerbefreiung).
- Zuwendungen steigend oder gleichbleibend.
Direktversicherung
- Wie klassische Versicherung, aber Leistungen rentenförmig.
- Fortführung zum neuen Arbeitgeber oder auf privater Basis unproblematisch möglich.
Pensionskasse
- Funktionsweise ähnllich wie Direktversicherung, aber aus eigener Gesellschaft heraus
Pensionsfonds
- Fondsbasierte Konstruktion mit größeren Freiheiten in der Kapitalanlage
- Zur Entgeltumwandlung in der Regel mit fondsbasierten Produkten als Beitragszusage mit Mindestleistung
- Besonderer Anwendungsfall: Ablösung von Pensionszusagen (erdiente Teile) durch Leistungszusagen des Pensionsfonds
Leistungszusage (LZ)
- Zugesagt wird eine feste Leistung, der Beitrag wird daraus abgeleitet.
- Vorkommen in der Praxis: bei Ablösung alter Zusagen durch Pensionsfonds und Unterstützungskasse.
- Heute als Neuzusage nicht mehr oft in Verwendung, da Unwägbarkeiten die Beitragskalkulation schwer machen bzw. die Beiträge potentiell steigen lassen.
- Beispiele für Bezugsgrößen sind Gehaltsabhängigkeit und bei Rentenzusagen die Steigerung der Lebenshaltung. Oft spielt auch Seniorität eine Rolle.
Beitragsorientierte Leistungszusage (BolZ)
- Zugesagt wird die aus einem bestimmten Beitrag resultierende Leistung.
- Wichtigster Anwendungsfall: klassische betriebliche Altersversorgung gegen laufenden Beitrag, sowohl als Entgeltumwandlung als auch als arbeitgeberfinanziertes Konstrukt.
Beitragszusage mit Mindestleistung (BZM oder BZML)
- Zugesagt wird ein in die bAv einzubringendes Beitragsvolumen (in der Regel je Dienstjahr), verbunden mit dem Versprechen, dass am Ende der Laufzeit wenigstens die Summe der eingezahlten Beiträge als Leistung ausgekehrt wird.
- Wichtigste Einsatzfelder: Pensionsfonds und fondsgebundene Direktversicherung und Pensionskasse.
Vergleich mit dem angelsächsischen System
Im englischsprachigen Raum werden die Begriffe "defined benefit" (Zusage der Leistung) und "defined contribution" (Zusage des Beitrags) verwendet.
Dort sind also auch reine Beitragszusagen möglich, bei denen die Leistungshöhe völlig unbestimmt bleibt. In dieser reinen Form geht das in Deutschland nicht.
Finanzierung durch den Arbeitnehmer - Entgeltumwandlung
- Seit der sog. Riester-Reform 2002 gesetzlicher Anspruch des Arbeitnehmers,
bis zu 4% BBG (Beitragsbemessungsgrenze) in betriebliche Altersversorgung umzuwandeln
- Sofort unverfallbar (sofern Mindestalter erreicht)
Finanzierung durch den Arbeitgeber
- Finanzierung aus Mitteln, die zusätzlich zum Gehalt bezahlt werden.
- Unverfallbarkeit nach 5 Jahren (sofern Mindestalter ereicht)
Mischfinanzierung
- In verschiedenen Ausprägungen möglich, z.B
- AG- und AN-finanzierung separat und unabhängig voneinander
- AG gibt prozentualen Zuschuß zum Beitrag aus Entgeltumwandlung
- AG gibt Zuschuß zum Beitrag aus Entgeltumwandlung nach Hürdensystem (pro 100 EUR Entgeltumwandlung 13 EUR AG-Zuschuß)
- AG finanziert bestimmte Bausteine (z.B. Altersvorsorge aus Entgeltumwandlung, BU durch AG finanziert)
.
Altersversorgung
- In der Regel als lebenslange Rentenzahlung, manchmal mit der Möglichkeit der Kapitalabfindung.
- Absicherung der "Langlebigkeit": Rentenzahlung bis zum Todesfall
Hinterbliebenenvorsorge
- Typischerweise als Hinterbliebenenrente (individuell oder kollektiv).
- Absicherung für den Todesfall - Begünstigte sind Witwe, Witwer und Waisen - Details separat
Invaliditätsvorsorge
- Abgesichertes Risiko: Berufsunfähigkeit (dauerhafte Unfähigkeit, den zuletzt ausgeübten Beruf zu mehr als 50% ausüben zu können) oder Erwerbsunfähigkeit (Unfähigkeit, irgendeinen Beruf zu mehr als 50% ausüben zu können).
- Andere Spielarten denkbar, teilweise in Tarifverträgen: zum Beispiel Erwerbsminderung - Unfähigkeit, eine bestimmte Anzahl von Stunden am Tag überhaupt in irgendeinem Beruf arbeiten zu können.
- Auszahlung im Regelfall als Rentenleistung - noch einfacher: Beitragsbefreiung für die "Hauptversicherung" (in der Regel Altersversorgung - so bleibt diese erhalten)
Erlebensfall (Altersvorsorge und Invalidität)
Die Leistung wird an den Arbeitnehmer als versicherte Person erbracht.
Todesfall
- Der zum Todeszeitpunkt in gültiger Ehe lebende Ehegatte.
- Der Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.
- Kinder im Sinne des § 32 EStG (leibliche, adoptierte / Kindergeldberechtigung).
- Lebensgefährte oder nicht eingetragener Lebenspartner
(Voraussetzungen: Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, Ehe oder Lebenspartnerschaft müßte möglich sein, Benennung gegenüber dem Anbieter muss erfolgt sein.)
Besonderheit
Sterbegeld an beliebige dritte Personen in Höhe von 8.000 EUR ist möglich.
Hauptformen: nachgelagerte Besteuerung in zwei Ausprägungen
- nach § 3 Nr. 63 EStG:
- Beiträge steuerfrei bis 4% BBG West plus 1.800 EUR
- Leistung als „sonstige Einkünfte” voll zu versteuern.
- nach § 4 d EStG bei Unterstützungskasse oder Pensionszusage:
- Beiträge praktisch ohne Dotierungsrahmen steuerfrei,
- Leistungen unterliegen der vollen Versteuerung als „Einkünfte aus Arbeitnehmertätigkeit”,
- Kapital mit „Fünftelungsregelung” zu besteuern (Progressionsmilderung).
Besondere Formen
- nach § 40b EStG pauschalbesteuertes Geschäft (Beiträge unterliegen der 20%-igen Pauschalsteuer, dafür sind die Leistungen nur mit dem Ertragsanteil der Steuer unterworfen): Dies war bis 2004 möglich, seither nur noch relevant bei Aufstockungen und dem sogenannten Vervielfältiger-Modell.
- nach 10a EStG gefördertes Geschäft (sogenannte "Riesterzulage"): in der betrieblichen Altersversorgung sehr selten, im privaten Geschäft dagegen sehr weit verbreitet.
Beiträge sind bis 4% BBG West sozialversicherungsfrei.
Leistungen unterliegen der Krankenversicherung der Rentner.
"Portabilität" - Ausscheiden des Arbeitnehmers mit sog. unverfallbaren Anwartschaften
Mitnahme der Versicherung
- zum neuen Arbeitgeber
- auf privater Basis
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Fid, PK, PF, UK |
Hauptfall |
Übertragung Deckungskapital
(Übertragungsabkommen)
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Fid, PK |
Kapital wird zu einem anderen Anbieter übertragen |
Versorgungsverpflichtung bleibt beim
alten Arbeitgeber
- Anspruchsbegrenzung
- ratierliches Verfahren
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PZ, UK |
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Abfindung gemäß Betriebsrentengesetz |
Alle
Durchführungswege
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Höchstgrenze |
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Anmerkungen
- Mitnahme einer UK-Versorgung möglich, wenn die UK-Versorgung durch den neuen Arbeitgeber fortgeführt wird (also kein Wechsel der Unterstützungskasse stattfindet).
- Umlageverfahren über den PSVaG (Pensions-Sicherungs-Verein auf Gegenseitigkeit)
- Betroffene Durchführungswege:
- Pensionszusage,
- Unterstützungskasse und
- Pensionsfonds mit auf 20% reduziertem Beitrag
- Logik dahinter: Lebensversicherungsunternehmen und Pensionskassen unterliegen
bei ihrer Kapitalanlage der strengen Aufsicht durch das Bundesaufsichtsamt für
Finanzdienstleistungen. Deshalb wird eine zusätzliche Insolvenzsicherung
nicht als notwendig erachtet. Der Pensionsfonds unterliegt zwar ebenfalls der Aufsicht,
hat aber liberalere Kapitalanlagevorschriften.
- Finanzierung des PSV-Beitrages durch den Arbeitgeber. Ausnahme: beim Pensionsfonds kann der PSV-Beitrag bei der Beitragszusage mit Mindestleistung den Erträgen entnommen werden.
- Entgeltumwandlung setzt Tariföffnungsklausel voraus
- In Deutschland circa 300 Tarifverträge zur Altersvorsorge
- Große Bedeutung zur Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung
Beispiele
- für große Branchen: Metall, Chemie
- für kleinere Branchen: Garten- und Landschaftsbau, Miederwarenindustrie
Besondere Regelungen
- Konversion vermögenswirksamer Leistungen in bAv
- Demografischer Wandel ("Demografiefonds")
- Einschränkungen Anbieterkreis
- Arbeitgeberzuschüsse
- Invaliditätsbegriffe z.T. unterschiedlich ("Erwerbsminderung", "Erwerbsunfähigkeit", "Berufsunfähigkeit")
- Neben den tarifvertraglich abgegrenzten Branchen weitere Lösungen am Markt vorhanden
- Beispiele: Branchenpensionsfonds, Klinikrente im Gesundheitssektor, Brauereien
- Große Bedeutung zur Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung
Vorteile
- Lösungen passend zu den jeweils besonderen Rahmenbedingungen der einzelnen Branchen
- Gehaltsstrukturen und -komponenten,
- Jobprofile und -anforderungen,
- Stabilität der Belegschaften bzw. Fluktuation
- Besondere Unternehmensstrukturen (z.B. Zusammenarbeit mit Zulieferern)
- Erleichterungen bei der Portabilität
Besondere Regelungen
- Konversion vermögenswirksamer Leistungen in bAv
- Demografischer Wandel ("Demografiefonds")
- Einschränkungen Anbieterkreis
- Arbeitgeberzuschüsse
- Invaliditätsbegriffe z.T. unterschiedlich ("Erwerbsminderung", "Erwerbsunfähigkeit", "Berufsunfähigkeit")
Anpassungsverpflichtungen bei laufenden Leistungen (Renten)
- Maßgeblich § 16 BetrAVG (Anpassungsprüfpflicht)
- Grundgedanke: Laufende Leistungen sollten mit der wirtschaftlichen Entwicklung Schritt halten
- Pflicht ist erfüllt, wenn bei Entgeltumwandlung die Überschüsse zur Erhöhung weiterer Versicherungsleistungen verwendet werden
Abfindung
- Maßgeblich das BetrAVG, § 3
- Möglichkeiten, Kleinstanwartschaften abzufinden
Höchstgrenze der Insolvenzsicherung
- Absicherung durch den PSV
- Demografischer Wandel ("Demografiefonds")
- Einschränkungen Anbieterkreis
- Arbeitgeberzuschüsse
- Invaliditätsbegriffe z.T. unterschiedlich ("Erwerbsminderung", "Erwerbsunfähigkeit", "Berufsunfähigkeit")
Vervielfältiger
- Einrichtung einer bAv bei Ausscheiden des Arbeitnehmers
- Grundgedanke: Aus der Anzahl der Dienstjahre läßt sich rückwirkend ein nicht in Anspruch genommener Dotierungsrahmen errechnen
- Attraktive Möglichkeit, bei Beendigung der Tätigkeit noch Altersversorgung aufzubauen.
- Haupteinsatzfelder: Neu § 3 Nr. 63 EStG oder bei bestehenden Altzusagen nach § 40b (Pauschalsteuer)
Exzedentenrückdeckung
- Höchstgrenze der Insolvenzsicherung:
- Darüber hinausgehende Rentenleistungen: Ausfinanzierung mittels Rückdeckungsversicherung.
- Verpfändung des (die Insolvenzsicherungsgrenze) überschießenden Anteils der Versicherung
Zeitkonten
- Hervorragende Möglichkeit zur Abfdeckung temporärer Finanzierungslücken
- Enge Verbindung zur betrieblichen Altersversorgung, beispielsweise zur Finanzierung von Vorruhestandsphasen
- Insolvenzsicherung
Ablösung oder Ausfinanzierung von Pensionszudsagen
- Übernahme der biometrischen Risiken einer Direktzusage durch Anbieter von bAv-Leistungen
- Damit verbunden: verkürzte Bilanz, Risikovermeidung
- Ausfinanzierung mittels Rückdeckungsversicherung oder Fonds oder Ablösung mittels Unterstützungskasse oder
Pensionsfonds Leistungszusage